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04.10.2023
Strategie

Wohnraum schaffen – Aber wie?

Es gibt viel Potenzial und spannende Chancen beim Wohnungsbau in Deutschland: Das Deutschland-Ticket kann die Kluft zwischen leerstehenden Wohnungen auf dem Land und dem städtischen Wohnungsnotstand ausgleichen, der Wohnungstausch zwischen den Generationen ermöglicht den Umzug in größere Wohnungen für junge Familien mit Kindern zu günstigen Mieten, die Zusammenlegung von Wohnungen generiert Entlastung für größere Mietparteien, der Dachausbau schafft neue Wohnungen nicht unmittelbar, aber zügiger als ein Neubau und die zusätzliche Begründung von Sozialbindungen für bestehende Wohnungen reduziert die Monatsmieten deutlich.

Bei der folgenden Betrachtung geht es darum, bezahlbare Mietwohnungen einer wachsenden Nachfrage anzubieten. Hier bündeln sich die Probleme, da trotz der hohen Wohnungsnachfrage relativ viele Wohnungen leer stehen. Vor allem bezahlbare Mietwohnungen sind in beliebten Großstädten kaum zu finden, wohingegen teure Mietwohnungen für Mieterinnen und Mieter mit höheren und hohen Einkommen nicht von diesem Problem betroffen sind. Grundsätzlich wird der Wohnungsbau von den nachfolgenden Komponenten wesentlich beeinflusst.


Einflussfaktoren auf den Wohnungsmarkt


Der erste wohl wichtigste Faktor ist die Bevölkerung in Deutschland, die sich gegen den Erwartungstrend der vergangenen Jahre stark positiv entwickelt. Aktuell leben in Deutschland rund 84,4 Millionen Menschen. Dem gegenüber stehen nach dem Statistischen Bundesamt etwa 43 Millionen Wohnungen.[1] Der Wohnungsbedarf orientiert sich demografisch an der Zahl der Erwachsenen und den Haushalten. Der deutsche Mieterbund erwartet auch in den kommenden Jahren ein Bevölkerungswachstum sowie eine leicht steigende Tendenz in der Reduzierung der durchschnittlichen Haushaltsgröße. Damit wird die Zahl der Haushalte und der Bedarf an Wohnraum zunehmen.[2]


Der zweite Einflussfaktor wird durch die unmittelbare Nachfrage nach Wohnungen bestimmt, die Ende 2022 bei etwa 700.000 Wohnungen lag. Besonders in den verdichteten Stadtregionen und Universitätsstädten kann sie quantitativ nur unzureichend bedient werden.[2]


Die Qualität der angebotenen Wohnungen ist der dritte und letzte Aspekt, durch den der Wohnungsmarkt bestimmt wird. Etwa 10 Prozent des Wohnungsbestandes gelten in Deutschland als technisch oder wirtschaftlich nicht sanierungsfähig, was zu der Vergrößerung der Kluft zwischen Angebot und Nachfrage führt.[3]


Die Bundesregierung hat sich als Ziel gesetzt, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, um das sich ergebende Defizit auszugleichen. Da dieses Ziel jedoch auch im Jahr 2023 voraussichtlich verfehlt wird, ist es sinnvoll, auf unkonventionelle Ideen und neue, clevere Lösungsstrategien zurückzugreifen. Einige sollen im Folgenden vorgestellt werden.[4]

Leerstandsquoten der Mitgliedsunternehmen beim BBU

Abbildung 1: Der Leerstand in deutschen Gemeinden nimmt teilweise deutlich zu.

Lösungsansätze für mehr Wohnraum und weniger Leerstand


Eine wichtige Stellschraube bei der Beschleunigung der Schaffung von neuem Wohnraum ist der benötigte Zeitraum für die Herstellung des Planungsrechts sowie die Genehmigung von Bauvorhaben. Die Zeiten können stark variieren und hängen von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Größe und Komplexität des Projekts, der Zustimmung der beteiligten Behörden, der Einhaltung von Vorschriften und Genehmigungsverfahren sowie eventueller Einsprüchen von Anwohnern oder Umweltschutzbedenken. Es existieren für die Genehmigung von Bauvorhaben keine bundesweit einheitlichen Fristen oder Regeln. In einigen Bundesländern können jedoch beschleunigte Verfahren in Anspruch genommen werden. Zudem gibt es die Möglichkeit für die Einreichung von Untätigkeitsklagen gegen Behörden. Die Wartezeiten können durch den Antragssteller gekürzt werden, indem Anträge bereits beim ersten Mal vollständig eingereicht werden und keine Genehmigung von Ausnahmen erforderlich wird.[5]


Sowohl Wohnungsgemeinschaften als auch der Neubau größerer Wohnungen oder Häuser für große Familien sind gute Lösungen, um das Leben in einem gemeinsamen Wohnraum zu ermöglichen. Allerdings kommt dies nicht für jeden in Betracht und lässt sich nur schwer von außen beeinflussen. Dieser Ansatz hätte auch Auswirkungen auf die Haushaltsgrößen, die unmittelbar die wohnungswirtschaftlichen Daten beeinflussen: Der Wohnungsbedarf nimmt zu, wenn die durchschnittliche Zahl der Bewohner eines Haushalts abnimmt, doch nehmen Wohngemeinschaften zu, verringert sich wiederum die Zahl der Haushalte.


Wohnungsleerstand in ländlichen Räumen


Dem Wohnungsbedarf in Großstädten steht ein weitaus breiteres Wohnungsangebot im ländlichen Raum gegenüber. In vielen Fällen existiert ein eingespielter öffentlicher Nahverkehr mit Anbindung in die Zentren. Das ist hinlänglich bekannt, aber es gelingt nur unzureichend, diese Schere des Wohnungsbedarfs und -angebotes zu schließen. Hier können Potenziale gehoben werden: Das Deutschland-Ticket für 49 Euro monatlich ermöglicht es, in Reichweite des getackteten Nahverkehr preiswerten Wohnraum in der Umgebung der Ballungsräume anzumieten. Dem niedrigen Mietzins steht der Zeitaufwand gegenüber, den Arbeitsplatz in den Zentren zu erreichen. Die gewünschte Digitalisierung sollte im Idealfall allen ermöglichen, in Bus und Bahn zu arbeiten. Hier muss eine gute Infrastruktur eine Überfüllung der öffentlichen Verkehrsmittel vermeiden und an jedem Ort gutes Mobilfunknetz oder W-Lan sicherstellen. Defizite des Einzelhandelsangebots vor Ort können ebenfalls über Online-Portale ausgeglichen werden. Homeoffice schafft die Option, nicht täglich am Arbeitsplatz zu sein, was jedoch nicht für alle Industriearbeitsplätze oder die Dienstleistungsbranche gelten kann. Nicht alle verfügbaren Wohnungen im ländlichen Raum sind in einem technisch akzeptablen Zustand. Auch hier können Modelle entwickelt werden, so dass Sanierungsaufwendungen der Mieterinnen und Mieter die Mieten zusätzlich reduzieren.


Wohnungstausch


Eine weitere Möglichkeit, zu einer neuen Wohnung zu kommen, bietet der Wohnungstausch. Wer aus einer kleinen Wohnung in eine größere umziehen will, muss dabei jemanden finden, der aus einem größeren Wohnsitz in einen kleineren ziehen möchte. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin unterstützen diesen Wohnungstausch als einen sinnvollen Baustein für eine bedarfsorientierte Wohnraumversorgung. Das Besondere: Die Nettokaltmiete in den Wohnungen verändert sich durch den Tausch nicht.[6] Ältere Bewohner einer großen Wohnung haben oft einen alten Mietvertrag mit einem günstigeren Mietenverlauf, den jüngere Mieter nach dem Wohnungstausch nutzen können. Damit werden keine neuen Wohnungen geschaffen, aber die Nachfrage zielsicher befriedigt.

Durch den Ausbau von Dächern kann mehr Wohnraum gewonnen werden.

Abbildung 2: Durch den Ausbau von Dächern kann mehr Wohnraum gewonnen werden.

Ergänzung von Wohnraum


Viele Großfamilien wohnen in kleinen Wohnungen. Sie suchen händeringend größeren Wohnraum und auch hier werden größere Vermietungsgesellschaften gefordert. Wird eine Wohnung in unmittelbarer Nähe der bewohnten kleinen Wohnung gekündigt, zum Beispiel auf derselben Etage, sollte diese einer Großfamilie angeboten werden. Wäre die gekündigte Wohnung direkt benachbart, könnte durch einen Wanddurchbruch unmittelbar eine größere Wohnung hergestellt werden. Auf diese Weise wird das Wohnraumangebot flexibilisiert und Anforderungen der Mieterschaft können leichter befriedigt werden.


Ausbau von Dachgeschossflächen


Es gibt großes Potenzial in der Nachverdichtung der Bestandsgebäude durch Aufstockung oder den Ausbau bisher ungenutzter Dachgeschossflächen. Nach einer Erhebung der Berliner Senatsverwaltung könnten in Mietwohnanlagen der Baujahre 1920 bis 1930 etwa 52.000 Wohnungen durch Aufstockung oder Ausbauten geschaffen werden, da ihre Baukörper sich dafür besser eignen als Nachkriegsbauten mit niedrigeren Dachböden. Voraussetzung ist, dass die Genehmigungsbehörden der Berliner Bezirke diese Überlegungen unbürokratisch unterstützen.[7]


Die Vorteile liegen auf der Hand: Ihre Realisierung ist wirtschaftlicher als die Errichtung von Neubauten, da Kosten für den Erwerb von Grundstücken und Infrastrukturleistungen entfallen. Auch etwa 330 Lebensmitteldiscounter, Supermärkte und SB-Warenhäuser in Berlin eignen sich aus stadtplanerischer Sicht für eine Dachaufstockung von bis zu 36.000 Wohnungen. Es gibt viele positive Aspekte dieser Mischnutzungen, zum Beispiel befinden sich die Märkte in guten Lagen und sind bestens in eine soziale Infrastruktur und den öffentlichen Personennahverkehr eingebunden.

Informationstechnologie und Immobilien (IT&I) Ausgabe Nr. 33 / April 2022

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Mietpreisbindung schafft günstigen Wohnraum


Die Bundesländer ermöglichen Vermieterinnen und Vermietern, Mietpreis- und Belegungsbindungen zu interessanten Konditionen für bestehende Wohnungen zu erwerben oder auslaufende Bindungen zu verlängern. Mit diesen befristeten Förderungen können Vermieterinnen und Vermieter den Mietpreis für Wohnraum auf bis zu 3 Euro/m² Wohnfläche absenken. Gleichzeitig können sie Wohnungen in allen Lagen kurzfristig für Mietpreisbindungen vorsehen und damit auch eine bessere Mischung der Mietparteien in einem Quartier erreichen. Dieses Finanzierungspotenzial steht den Haushalten der Bundesländer auch deshalb zur Verfügung, weil Fördermittel für den Wohnungsneubau nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen werden. Damit kann eine Entspannung der Mietpreise im Wohnungsbestand erreicht werden.


Fazit


Obwohl bundesweit die Anzahl leerstehender Wohnungen den Bedarf nach Mietwohnungen deutlich übersteigt, muss mehr Wohnungsneubau stattfinden, um gerade auch in beliebten Gegenden mehr Wohnraum für potenzielle Mieterinnen und Mieter und Käuferinnen und Käufer zu schaffen. Die Realisierung dauert jedoch lange und nach der Fertigstellung kann es vorkommen, dass an diesem Standort die Wohnungsnachfrage abgenommen hat, was wiederum zu einem wirtschaftlichen Risiko für den Vermieter oder die Vermieterin führt.


Unkonventionelle Maßnahmen ergeben hier mehr Sinn, um Abhilfe zu schaffen. Die geografischen Räume sollten dort größer gesehen werden, wo der Wohnungsbedarf gedeckt werden kann – also nicht nur das Quartier oder das städtische Siedlungsgebiet, sondern auch die angrenzenden Nachbarschaften in weniger besiedelte Regionen mit ihren eigenen Vorteilen.

  1. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/07/PD23_297_31231.html
  2. https://www.mieterbund.de/fileadmin/public/Studien/Studie_-_Bauen_und_Wohnen_in_ der_Krise.pdf
  3. morgenpost.de/wirtschaft/article237340905/ wohnen-wohnungsnot-neubau-wohnungs- bau-deutschland.html
  4. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/wohnungsbau-bundesregierung-101.html
  5. https://www.wohnung.com/ratgeber/2507/ wie-lange-darf-die-bewilligung-einer-bauge- nehmigung-dauern
  6. https://inberlinwohnen.de/wohnungstausch/
  7. https://www.berliner-mieterverein.de/maga- zin/online/mm1116/dachgeschossausbau- und-aufstockung-viel-potenzial-oberhalb- der-traufe-111620.htm & https://www.welt.de/finanzen/immobilien/ article185180520/Neuer-Wohnraum-Unterm-Giebel-ist-noch-Platz.html
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