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10.03.2015
Recht

Compliance – was ist heute eigentlich noch erlaubt?

Nach § 161 AktG sind börsennotierte Aktiengesellschaften verpflichtet, anzugeben, inwieweit der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ (DCGK) befolgt wird. Ziffer 4.1.3 DCGK definiert „Compliance“ dabei wie folgt: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin.“
IT&I Magazin Nr. 20 - "Compliance – was ist heute eigentlich noch erlaubt?"

Es gibt also nicht die Compliance-Regelung, gemeint ist damit vielmehr allgemein die Einhaltung von Rechtsvorschriften, insbesondere Gesetzen und Richtlinien, aber auch freiwilliger Unternehmensgrundsätze. Klar ist damit aber auch, dass sich diese Verpflichtung zum rechtskonformen Verhalten primär an den Vorstand des Unternehmens richtet, da letztlich nur er in der Lage ist, für die Einhaltung von Vorschriften zu sorgen und diese innerhalb des Unternehmens durchzusetzen, wozu ein Mitarbeiter unterhalb der Unternehmensleitung eines Unternehmens schon rein tatsächlich nicht in der Lage ist. Deshalb fällt etwa ein bestechlicher oder bestechender Mitarbeiter letztlich auf die Leitung des Unternehmens zurück, da diese dann eben nicht dafür gesorgt hat, dass illegales Handeln unterbunden bzw. verhindert wird. Eine Ausnahme gilt allenfalls für den sog. Compliance-Beauftragten, der gerade dazu beitragen soll, in einem Unternehmen die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Infolge seiner besonderen Stellung kann er als Mitarbeiter unterhalb der Führungsebene durchaus zivil- und sogar strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden – wenn auch unter eng umrissenen Voraussetzungen.  


Doch welche Punkte sind dann im Rahmen der Compliance besonders zu beachten?  


Da theoretisch die gesamte Rechtsordnung zu beachten ist, lässt sich ein Schwerpunkt besonders „wichtiger“ Vorschriften nur schwer bestimmen. Allerdings kann man sicherlich einige wesentliche Regelungen hervorheben, nicht zuletzt aufgrund verschiedenster Vorkommnisse, über die öffentlich umfangreich berichtet wurde.


Hier ist zunächst das Kartellrecht zu nennen, das eine „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs“ unterbinden soll (§ 1 GWB). Demnach verbietet es vor allem wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und einen Missbrauch der Marktmacht. Hierunter fallen insbesondere Absprachen zwischen Unternehmen, die als unmittelbare Wettbewerber am Markt auftreten. Es ist offensichtlich, dass gerade kein freier Wettbewerb stattfindet, wenn sich Konkurrenten etwa über den Einkaufs- oder Verkaufspreis abstimmen. Aber auch in der Lieferkette sind Wettbewerbsbeschränkungen untersagt, wie sie etwa vorkommen, wenn sich Lieferanten und Abnehmer den Wiederverkaufspreis festsetzen.

Informationstechnologie und Immobilien (IT&I) Ausgabe Nr. 33 / April 2022

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Auch das Wettbewerbsrecht ist als weiterer Schwerpunkt anzuführen. Hierzu finden sich insbesondere im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zahlreiche Regelungen, die die Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer schützen. In einer sog. „schwarzen Liste“ sind dabei fest umrissene Tatbestände aufgeführt, die stets unzulässig sind, wie beispielsweise die Verwendung von Gütezeichen, ohne die entsprechende Genehmigung. Aber auch die gezielte Behinderung von Mitbewerbern ist nach dem UWG ebenso unzulässig, wie auch Vorgaben für vergleichende Werbung gemacht werden.  


Anzuführen ist ferner die Bekämpfung der Korruption. Diese wird strafrechtlich durch die Vorschriften der §§ 331 - 338 Strafgesetzbuch (StGB) sanktioniert bzw. in den §§ 299 ff. StGB für Personen, die keine Amtsträger sind. Deshalb sind etwa „Belohnungen“ für Mitarbeiter des Geschäftspartners unzulässig, um so Vorteile aus einer (geplanten) Geschäftsbeziehung zu erlangen.  


Weiterer wesentlicher Punkt ist die (korrekte) Darstellung der Finanzlage eines Unternehmens. Da insbesondere der Jahresabschluss für die Beurteilung der finanziellen Situation eines Unternehmens eine tragende Rolle spielt, sei es für Kunden, Lieferanten und Geldgeber, aber auch für den Kapitalmarkt oder die Gesellschafter, und der Jahresabschluss selbst wiederum Ergebnis der Buchführung des Unternehmens ist, existieren für diese sehr detaillierte und strenge Regelungen. Die Verpflichtung zur Buchführung wird in den §§ 238 ff. HGB näher spezifiziert. Hierbei sind insbesondere die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zu beachten. Die Detailtiefe der dabei im Einzelnen zu beachtenden Vorgaben richtet sich wiederum nach der Größe des Unternehmens, vom Einzelkaufmann über die kleine Kapitalgesellschaft bis zum kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen eines Konzerns.  


Aus dem Bereich des Handelsrechts stammt auch ein weiterer Compliance-Schwerpunkt, nämlich die Informations- und Berichtspflicht des Unternehmens. Durch das Handelsgesetzbuch werden umfangreiche Verpflichtungen zur Veröffentlichung im Handelsregister aufgestellt, sei es bezüglich der Eintragung der Firma selbst, aber auch aller Änderungen. Durch gesetzliche Neuregelungen ist zudem eine Publizitätspflicht eingeführt worden, die Unternehmen einer bestimmten Größe zur Offenlegung des Jahresabschlusses in elektronischer Form verpflichtet.  


Ebenfalls zum Handelsrecht zählt die Archivierungspflicht als weiterer Compliance Schwerpunkt. Sie verpflichtet ein Unternehmen nicht nur zur Aufbewahrung von Buchhaltungsunterlagen im engeren Sinne, wie Rechnungen und Belege, sondern statuiert auch eine Pflicht zur Archivierung von Geschäftsunterlagen allgemein, wie etwa Handelsbriefe, wobei es keine Rolle spielt, ob diese beim Unternehmen eingehen oder von ihm versandt werden. Stets müssen diese Unterlagen für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren gesammelt und aufbewahrt werden. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht in einem Schuhkarton geschehen kann, nach dem Motto, „Hauptsache gesammelt“. Vielmehr sind auch hierbei die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zu beachten, um einen akkuraten Überblick über die Situation des Unternehmens zu gewährleisten.  


Als weiterer wesentlicher Punkt ist daneben die Beachtung der Steuergesetze zu nennen. Das Unternehmen ist also verpflichtet, die steuerlichen Vorschriften insbesondere zur Erklärung und Zahlung von Steuern zu beachten. Gesetzlich sind diese Punkte in der Abgabenordnung (AO) verankert. Das Unternehmen treffen dabei nicht nur Mitwirkungspflichten, wie etwa zur Erklärung von Steuerpflichten, sondern auch die Verpflichtung, sich das nötige und möglicherweise sehr spezielle Wissen um steuerlich komplexe oder schwierige Vorgänge anzueignen, sei es durch eigene Fortbildung, sei es durch den Rückgriff auf externe Berater.  


Nicht weiter verwunderlich ist, dass einen erheblichen Compliance-Schwerpunkt der Datenschutz bildet. Angesichts der vielen, in der Vergangenheit bekanntgewordenen Datenschutzskandale hat hier in den Unternehmen längst ein Umdenken eingesetzt, so dass der Umgang mit sensiblen Daten heute verstärkt Aufmerksamkeit erfährt. Neben dem Schutz der personenbezogenen Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) fällt unter diesen Punkt aber auch die Datensicherheit, also der Schutz sensibler Unternehmensdaten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, etwa Kostenfaktoren, Kundenbeziehungen oder gewerbliche Schutzrechte. Unternehmen sind daher im Rahmen der Compliance gehalten, Datenschutz und Datensicherheit durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.  


Ein weiterer Punkt bekommt unter Compliance Gesichtspunkten immer mehr Gewicht: Der Umweltschutz verpflichtet Unternehmen auf die Einhaltung bestimmter Standards. Ausgangspunkt ist hier die Vorschrift des § 22 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, welche darauf gerichtet ist, ressourcenschonend bei der Herstellung, Entwicklung und dem Einsatz von Erzeugnissen vorzugehen. Zugleich normiert dieses Gesetz auch die Kennzeichnung von schadstoffhaltigen Erzeugnissen und Hinweispflichten auf Rückgabe- und Wiederverwendungsmöglichkeiten.  


Bei Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen ins Ausland ist schließlich noch der Bereich der Exportkontrollen als wesentlicher Grundsatz zu nennen. Hierdurch soll nicht nur der Export von Waffen und Rüstungsgütern verhindert werden, sondern auch von sog. dual use-Gütern, also solchen Erzeugnissen, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Neben dem Kriegswaffenkontrollgesetz ist in diesem Zusammenhang vor allem das Außenwirtschaftsgesetz zu nennen, in dem die wesentlichen Bestimmungen enthalten sind.  


Die obige Aufstellung ist ein kleiner Ausschnitt aller im Rahmen der Compliance zu beachtender Punkte. Zugleich wird damit aber deutlich, dass ein Vorstand sicherlich überfordert wäre, müsste er sich alleine um die Einhaltung aller Vorgaben kümmern. Daher gewinnt der bereits erwähnte Compliance-Beauftragte immer größere Bedeutung im Unternehmen, wie vor allem die Einführung eines Compliance-Managements in einem Unternehmen nahezu unerlässlich ist.    

Zur Person:
Stephan Wiedorfer
Stephan Wiedorfer
wurde 1967 in München geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in München und arbeitete während seines Referendariats sechs Monate in New York bei dem größten deutschen Plattenlabel. Seit 1996 ist er als Rechtsanwalt zugelassen und gründete 1999 seine erste Kanzlei. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung auf dem Gebiet des Computer- und Internetrechts einschließlich der prozessualen Durchsetzung entsprechender Ansprüche. Weitere Tätigkeitsgebiete sind das Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. Stephan Wiedorfer ist seit dem 4. Februar 2008 Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er ist Mitglied der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. (GRUR), der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e. V. (DGRI) und der Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie im Deutschen Anwaltverein (DAV-IT).
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