7 Fragen an… Thomas Bechteler
1. Stichwort „Digitalisierung“, geben Sie uns einen kleinen Einblick: Wie begann die Transformation in Ihrem Unternehmen?
Thomas Bechteler: Die Initialzündung zur „Digitalisierung“ erfolgte bei uns im Februar 2017 als Proptechs & Co. zum Jungbrunnen der Immobilienwirtschaft erklärt wurden. Eine intensive Auseinandersetzung mit zahlreichen Start-ups aus diesem Umfeld faszinierte uns genauso wie ein Markt an Investoren, der phantastische Summen in diese – oftmals noch sehr frischen – Ideen investierte.
Wenige Woche später gründeten wir unser „Innovation-Lab“ mit Vertretern der Generation X-Y-Z und einem Hund, hatten Paletten an der Wand, saßen auf Sitzsäcken, aßen Cake-Pops und hinterfragten disruptiv allen Ernstes all das, was uns in den vergangenen Jahren so erfolgreich gemacht hat.
2. Warum bedarf es digitaler Services für Ihr Geschäft?
Bechteler: Die Immobilienbranche allgemein, besonders aber der Schwerpunkt „Wohnungswirtschaft“, durfte sich bisher durchaus noch zur Old Economy mit einem eher überschaubaren Grad an Automatisierung zählen.
Unser originäres Geschäftsmodell „Vermietung von Wohnraum“ unterliegt starker Regulatorik. Ebenso steht die Wohnungswirtschaft mit der Frage der sozialverträglichen Verfügbarkeit von Wohnraum immer wieder im Fokus der Medien. Gleichzeitig schauen wir mit Sorge auf die demographische Entwicklung, die es uns heute zunehmend schwerer macht, Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Digitale Services helfen uns, die in der Zukunft knapper werden Mitarbeiterkapazitäten so effizient einsetzen zu können, dass unsere Produkte und Kunden trotzdem noch wachsen und wir gegenüber dem Markt an Wettbewerbsvorteilen zunehmen können. Gleichzeit brauchen wir für die Erfüllung der Regulatorik zunehmend anspruchsvolle Systeme.
3. Wie entstehen neue digitale Lösungen in Ihrem Unternehmen? Haben Sie ein Erfolgsrezept?
Bechteler: Wir versuchen, trotz jahrelanger Erfahrung und einem aktuell vorteilhaften Geschäftsumfeld mit guten Ergebnissen, nie den kritischen Blick zu verlieren, die Dinge noch besser machen zu wollen. Jeden Tag den Status quo zu hinterfragen und damit weitere Effizienzpotenziale zu identifizieren ist Teil der Dawonia-DNA und unseres Verständnisses der Zukunftsfähigkeit.
4. Und was sind die wichtigsten neuen Technologien, an denen Sie derzeit arbeiten?
Bechteler: Wir arbeiten mit PROMOS sehr intensiv an dem Thema Service-Automatisierung, sowie dem „Marktplatz“ in unserer Mieter-App „My Dawonia“. Mit Kabelnetzanbietern, Stromversorgern, Versicherungen, Baumärkten und Möbelhäusern eruieren wir die Möglichkeit, gemeinsam unsere Kunden auf dem Weg von der „leeren Wohnung“ zum „Wohlfühlwohnen“ zu begleiten und sie an dem Profit durch die Nachfragebündelung von 70.000 Mietern zu beteiligen.
5. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen für Ihr Unternehmen, die die Digitalisierung mit sich bringt?
Bechteler: Es ist für gut ausgebildete Mitarbeiter unbefriedigend, händisch ausgefüllte Selbstauskunftsbögen in SAP abzutippen. Mieter sollen für einfache Anliegen nicht mehr tagelange Wartezeiten akzeptieren oder Urlaub nehmen müssen, um einen Termin für die Einsichtnahme in eine Nebenkostenabrechnung zu erhalten. Wir wollen da sein, wo uns Mieter brauchen. Unseren Mitarbeitern wollen wir es ermöglichen, ihre Arbeit in einer auf ihre Bedürfnisse ausgelegten Work-Life-Balance zu erfüllen, das kann orts- und zeitungebunden sein. Die größte Veränderung der Digitalisierung in unserem Unternehmen ist die Kultur.
Aus meiner Sicht wird die Digitalisierung damit sowohl bei den Nutzern als auch auf Seiten des Unternehmens deutliche Verbesserungen mit sich bringen.
6. Wie werden die neuen Technologien (Big Data, Künstliche Intelligenz, Machine Learning) die Immobilienbranche beeinflussen?
Bechteler: Wir haben für all diese Technologien bereits Szenarien in der Schublade bzw. arbeiten an Umsetzungsprojekten. Beispielsweise sind wir dabei, mit einem Anbieter für Dokumentenmanagementlösungen, KI für das Lesen und Interpretieren von Korrespondenzvorgängen einzusetzen und mit Machine Learning zu kombinieren. Diese Technologien sind heute schon hochentwickelt und erzielen hervorragende Ergebnisse.
Big Data ist in Zeiten von DSGVO aus unserer Sicht zunächst noch ein eher schwieriges Thema, auch wenn diese nur in anonymisierter Form Verwendung finden würden. Daher werden wir uns vorläufig nicht konkret mit diesem Thema auseinandersetzen, bis ein Rechtsrahmen geschaffen wurde, der die anonymisierte Verwendung dieser Daten hinreichend sicher macht.
Ich persönlich würde die größten kurzfristigen Potenziale in der KI sehen, wenngleich ich den inflationären Umgang des Begriffs in unserer Branche persönlich bedauere. Nicht jede Wenn-Dann-Regel ist der KI zuzuordnen.
Perspektivisch werden diese Themen zunehmend weniger abzugrenzen sein. Big Data wird die Grundlage für Machine Learning der KI sein. Beispiel: Wenn wir anonymisierte Daten aller Heizkörper der von uns bewirtschafteten Wohnungen verwenden könnten, um über Machine Learning die KI zur Optimierung des Energieverbrauchs weiterzuentwickeln, würden wir einen großen Beitrag für die Senkung des CO²-Ausstoßes der Gebäude erzielen können.
7. Zum Abschluss: Wann hatten Sie zuletzt so einen magischen Moment, in dem eine innovative Technologie Sie verblüfft hat?
Bechteler: Das Magische der Technologien sind für mich immer noch die Menschen, die es geschafft haben, die Komplexität unseres menschlichen Handelns soweit zu reduzieren, dass Maschinen mit viel Rechenkapazität etwas emulieren können, was wir als intelligent bezeichnen.
Vielen Dank für das Interview.
Die Serie „7 Fragen an ...“
widmet sich den digitalen Innovationen in der Immobilienwirtschaft. Wie gut sind die Unternehmen aufgestellt? Und auf welche Maßnahmen setzen sie? Experten und Branchenkenner stehen in Kurzinterviews Rede und Antwort.
Teil 2:
Thomas Bechteler, Bereichsleiter für IT / Organisation & Digitalisierung bei der Dawonia